Sicherheitspolitik an Universitäten. – Was ist, was sein wird.
In seiner Einleitung zitierte der Vorsitzende des Offiziervereins Wuppertal, OTL a.D. Dilthey aus der F.A.Z. vom 14.09.23: „An einer staatlichen deutschen Universität Forschung und Lehre zu strategischen Fragen oder gar zu Sicherheitspolitik und Militäranalytik betreiben zu wollen, ist ungefähr so, als ob man in einer Frauenkneipe Herrenwitze erzählen oder im Landkreis Sonneberg für Gendersprache werben will.“
Prof. Hans Joachim Lietzmann trug vor zum Thema „Sicherheits- und Verteidigungspolitik an deutschen Universitäten und in der Wissenschaft. Auch am Beispiel der Bergischen Universität Wuppertal“. In seiner Bestandsaufnahme stellte er gleich zu Beginn fest, dass die Universität Wuppertal sicherheitspolitische Fragen allenfalls im Zusammenhang mit der Thematik Bevölkerungs-, Zivilschutz und Objektsicherheit bearbeitet. Was deutsche Universitäten betrifft, so wir die Thematik von wenigen Professoren getragen, die da sind: Prof. Varwick (Halle-Wittenberg), der ab April 2024 ein Seminar „Zeitenwende in der Sicherheitspolitik“ anbietet, Prof. Krause (Kiel) und Dr. S. Kirchberger am Institut für (maritime) Sicherheitspolitik (jedoch nicht als Studiengang). In Münster Honorarprof. Gareis (zugleich Direktor der Führungsakademie der BW). In Bonn gibt es die Stiftungsprofessur für U. Schlie und einen Masterstudiengang seit einem Jahr. In Potsdam gibt es 2 Studiengänge in Kooperation mit der BW von Prof. Neitzel (Militärhistoriker) „War and Conflict“ und „International War Studies“. Und an den beiden BW-Universitäten (Hamburg und München) je 2 Professuren (A. Geis und M. Saak, sowie S. Stetter (Sicherheitspolitik seit 1992) und C. Masala). Dabei gibt es selbst bei der BW keinen Studiengang Sicherheitspolitik.
In Deutschland gibt es über ein Dutzend Professuren für Friedensforschung mit 8 Studiengängen (Augsburg, Marburg, Tübingen, eine Stiftung in Friedrichshafen).
Mehrere Institute, meist unter der Leitung der oben genannten Prof. in Bonn/Aachen, Frankfurt und an den BW-Universitäten befassen sich mit Sicherheitsfragen und sind stark in der Politikberatung tätig. Auf studentischer Ebene gibt es einen losen Bundesverband Sicherheitspolitik, der eine Zeitschrift herausgibt.
Dies ist der Sachstand bei insgesamt 108 Universitäten in Deutschland.
Im Blick auf die Entwicklung des Bereiches (Sicherheits-)Politik in Deutschland verwies Prof. Lietzmann auf den Vergleich zum Fach Jura. Während dort nach 1945 fast eine ungebrochene Fortsetzung der Lehre stattfand, so wurden die Politik-Lehrstühle überwiegend durch Personen besetzt, die in der Nazi-Zeit emigriert waren. Es galt in Deutschland die Infrastruktur, die Wirtschaft, die Demokratie aufzubauen. Auch nach 1971 gab es zunehmenden Bedarf an fachpolitischer Beratung, jedoch –unter dem Schutz er USA, der NATO – keinen sicherheitspolitischen Bedarf und die Bundeswehr selbst wählte den Weg der eigenen (abgeschotteten) Universitäten. Seit 2010 wiederum richtete sich der universitäre Blick zunehmend auf das Feld der Einstellungen des Menschen und der gesellschaftlichen Kultur. Während dabei einerseits eine größere Beteiligung der Bürger an Entscheidungen eingefordert wird, so werde andererseits im Parlament z.B. 140 Beschlüsse verabschiedet und darüber nur wenig mehr als 10 Debatten geführt. Unter diesen Gegebenheiten kommt ein öffentlicher Diskurs über die Europäische Verteidigungspolitik bei uns nicht vor. Und auch in militärischen internationalen Gesprächsrunden bleibt man unter sich. Die (wenige) Sicherheitspolitik gilt auch außerhalb Deutschlands als leistungsstark, jedoch erscheinen die öffentlichen Universitäten moralisch abgetrennt, man lebt jeweils in seinen eigenen Welten.
Prof. Lietzmann, der seinen Wehrdienst bei der Luftwaffe (in den Niederlanden) ableistete und vor seinem Ruf an die Universität Wuppertal (2002 bis August 2021) auch langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter an der BW-Universität war, stellt eine zunehmende offene Debatte z.B. bei der Erstellung der Weißbücher fest und ein Aufbrechen der Bundeswehr nach außen. Die Bundeswehr bedarf der Öffentlichkeit und muss diese suchen.
Das Geschehen in Deutschland und der Welt, so ist er sich sicher, wird zu wesentlichen Veränderungen führen. Die Universitäten als Zentren der Forschung, der Lehre und der Beratung werden sich den drängenden Fragen der Zeit nicht verschließen können. Es wird sich der Bedarf nach einer „sozial-robusten“ Sicherheitspolitik stellen.
Auch wenn der Vorsitzende des Offiziervereins in seinen Dankesworten an Herrn Prof. Lietzmann auf eine weitere Eingangsbemerkung nicht mehr eingegangen ist, so ergab sich für einige Besucher doch die Feststellung: mit einer Ausweitung weiterer Gender-Lehrstühle über die bestehenden 146 an Universitäten und 50 an Fachhochschulen hinaus ist wohl eher nicht zu rechnen.
In der F.A.Z. vom 8.12.23 schreibt Nikolaus Busse in einem Kommentar: „In Berlin glauben noch viele, dass Amerikas Beistand für alle Ewigkeiten gesichert sei.“…. „Auch in Deutschland müssen sich die Prioritäten ändern. Es will keiner hören, aber hier wird man bald zwischen Sozialstaat und Verteidigung wählen müssen.“